DER ANSCHNITT Ausgabe 1|2017

ISSN 0003-5238
Einzelheft 9,– €
Doppelheft 18,– €
Jahresabonnement (6 Hefte) 54,– €

Inhalt

Albert Renger-Patzsch gehört zu den Ikonen der deutschen Industriefotografie. Bekannt sind vor allem seine eindrücklichen Aufnahmen der Industrielandschaft des Ruhrgebiets aus den 1930er Jahren. Dr. Eva Pasche widmet sich in ihrem Beitrag der aktuellen Münchner Ausstellung, die ab Herbst auch im Ruhrgebiet zu sehen sein wird. Zahlreiche großformatige Fotografien illustrieren ihre Ausführungen.

Dr. Julane Czierpka vom Deutschen Bergbau-Museum betrachtet den Industrialisierungsprozess im britischen Black Country, das bereits im 18. Jahrhundert zu einer Führungsregion aufstieg.

Dr. Stephan A. Lütgert, Leiter des Deutschen Erdölmuseums in Wietze, wirft einen Blick auf die Frühphase der industriellen Erdölgewinnung in Norddeutschland. Er weist anhand bislang unbekannter historischer Quellen nach, dass die Anfänge bereits in die 1840er Jahre zu datieren sind und nicht, wie bisher angenommen, in die 1850er Jahre. Damit kommt Deutschland noch vor den USA eine Pionierrolle zu.

Dr. Konrad Schneider betrachtet die Geschichte der Taunushütte in Höchst am Main und den Eisensteinbergbau im Vordertaunus in den 1850er und 1860er Jahren.

Hans-Joachim Gleichmann beschreibt die Wiederentdeckung eines als verschollen geglaubten Fördergerüstes des Siegerländer Eisenerzbergbaus in der Normandie.

Ergänzt wird das Heft wie gewohnt durch Tagungsberichte und Miszellen zu verschiedenen Themen sowie mehrere Rezensionen.

ISSN 0003-5238
Einzelheft 9,– €, Doppelheft 18,– €, Jahresabonnement (6 Hefte) 54,– €

  • Juliane Czierpka
    Nägel, Kohle und Eisen: Der Industrialisierungsprozess im Black Country
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  • „In this Black Country […] a perpetual twilight reigns during the day, and during the nights fires on all sides light up the dark landscape with a fiery glow. The pleasant green of pastures is almost unknown, the streams, in which no fishes swim, are black and unwholesome; the natural dead flat is often broken by huge hills of cinders and spoil from the mines; the few trees are stunted and blasted; no birds are to be seen, expect a few smoky sparrows; and for miles on miles a black waste spreads around, where furnaces continually smoke, steam-engines thud und hiss, and long chains clank, while blind gin-horses walk their doleful round.“ Diese Worte fand Samuel Sidney, als er im Jahr 1851 das Black Country mit dem Zug durchfuhr. Mit seiner poetischen Beschreibung fasste er einige charakteristische Merkmale der industriel-len Region im Zentrum Englands sehr treffend zusammen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Black Country hinter Schottland der zweitgrößte britische Roheisenproduzent, überall in der Region wurden Steinkohlen gefördert und Eisenartikel geschmiedet. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie das Black Country zu einem der größten industriellen Gebiete seiner Zeit wurde. Die Analyse des Entwicklungspfades folgt dabei den Annahmen der regionalen Wirtschaftsgeschichte, die sich die Untersuchung von Wirtschaftsregionen zur Aufgabe gemacht hat und damit dem regionalen Charakter der europäischen Industrialisierung Rechnung trägt. Es ist vor allem Sidney Pollard zu verdanken, dass die Rolle von Regionen für das Entstehen der industriellen Welt in das Bewusstsein der Wissenschaft rückte. Pollard zeigte Unterschiede regionaler Entwicklung auf und wurde nicht müde, den europäischen Charakter der Industrialisierung zu betonen. Diese startete zwar in Großbritannien, schwappte jedoch rasch auf den Kontinent hinüber, sodass sich industrialisierte, von landwirtschaftlich geprägten Gebieten umschlossene Regionen auf beiden Seiten des Ärmelkanals fanden. Die Entwicklung dieser Regionen erfolgte ungleichmäßig und ungleichzeitig, und jede Region beschritt, basierend auf ihren jeweils spezifischen geologischen und geographischen Gegebenheiten, aber auch Traditionen, ihren eigenen Weg. Vor dem Hintergrund dieser Spezifizität regionaler Entwicklung, verwies Pollard auf die Notwendigkeit, Regionen nicht nur zu beschreiben, sondern vielmehr als Variable der wirtschaftlichen Entwicklung zu begreifen. Pollards Gedanken folgend, fragt die regionale Wirtschaftsgeschichte nach Faktoren, welche die Entwicklung einer Region begünstigten oder hemmten. Hierbei wird der Raum, der als Summe der geologischen und geographischen Charakteristika der Region verstanden wird, in die Analyse einbezogen. Das Untersuchungsobjekt der regionalen Wirtschaftsgeschichte sind Wirtschaftsregionen, also Gebiete mittlerer Größe, zu deren Definition nur wirtschaftliche Faktoren herangezogen wurden und deren Ausdehnung sich nicht an administrativen Grenzen orientiert. Der Definition der Wirtschaftsregion Black Country wurde das Vorliegen einer bestimmten Wirtschaftsstruktur zugrunde gelegt. Typisch für die Region war eine Beschäftigung der Bevölkerung im Bereich des Bergbaus, der Eisenindustrie, der Eisenverarbeitung oder Glasherstellung, sowie den diesen Branchen zuarbeitenden Branchen. Mit Hilfe eines der regelmäßig erstellten Zensus wurde überprüft, inwieweit sich in einzelnen Gemeinden im Bereich der lokalen Steinkohlenlagerstätte eine Dominanz der oben genannten Industriezweige feststellen ließ. Die so definierte Wirtschaftsregion hat die in Abbildung 1 dargestellte Ausdehnung, wobei die hellgrau eingefärbten Gemeinden und ihre gestreift dargestellten Dependancen die Wirtschaftsregion Black Country bilden, während die dunkler eingefärbten Gemeinden landwirtschaftlich geprägt sind und darum nicht zu dem untersuchten Gebiet zählen.
  • Stephan A. Lütgert
    Die Vorgeschichte der industriellen Erdölgewinnung in Norddeutschland am Beispiel Wietze. Eine grundlegende Neubewertung anhand bislang unbekannter historischer Quellen
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  • Gemeinhin wird der Beginn der Erdölgeschichte in Deutschland in die Jahre 1858/59 datiert. In diesem Zeitraum wurde in Wietze im Landkreis Celle am Rande der schon seit 1652 urkundlich belegten Wallmannschen (ursprünglich Lohmannschen) „Teerkuhle“ im Rahmen eines umfangreicheren „Bohrprogramms eine Erkundungsbohrung durch den Königlich-Hannoverschen Salinen-Inspektor Georg Wilhelm Hahse im Auftrag des bekannten Geognosten Prof. Georg Christian Konrad Hunäus (1802-1882) aus Hannover abgeteuft. Obschon das der Forschung dienende Unternehmen letztlich erfolglos abgebrochen werden musste, da ein eiszeitliches Geschiebe in gut 35 m Teufe sich dem Bohrmeißel als unüberbrückbares Hindernis in den Weg stellte, wurde das Ereignis von deutscher Seite im Nachhinein zu „der“ oder zumindest einer der ersten Erdölbohrungen weltweit erklärt. Im Folgenden soll nun auf der Grundlage einer systematischen Sichtung der zur Verfügung stehenden historischen Quellen – darunter ein umfängliches Konvolut bislang unbekannter Schriftstücke aus Privatbesitz – die fast drei Jahrzehnte umfassende
    Vorgeschichte dieser angeblich frühesten Bohrung erhellt werden. Wenngleich die Hunäus‘sche Bohrung nach Ansicht des Verfassers nur bedingt als Beleg dazu taugt, die Wiege der Erdölindustrie im früheren Königreich Hannover zu lokalisieren, so gibt es doch eine Reihe neuer Anhaltspunkte, die ebendiesen Anspruch untermauern und sogar Argumente für eine noch frühere Datierung liefern. Und dabei kommt Wietze, seit 1970 Standort des
    Deutschen Erdölmuseums, neben anderen schon in der Frühen Neuzeit bekannten Vorkommen wie Hänigsen (Region Hannover), Edemissen/Oedesse und Oberg (Ldkr. Peine) eine besondere Rolle zu.
  • Konrad Schneider
    Die Taunushütte in Höchst a. M. und der Eisensteinbergbau im Vordertaunus
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  • Das Herzogtum Nassau verfügte über nennenswerten Erzbergbau und eine Hüttenindustrie. Neben Silber-, Blei-, Zink- und Kupfererzen wurden Eisenerze abgebaut und verhüttet. Im Lahn-Dill-Gebiet einschließlich des unteren Weiltals förderte man besonders und als wichtigstes nassauisches Eisenerz Roteisenstein (Hämatit), bestehend aus Eisenoxid. Dies festigte den Ruf des nassauischen Eisens als besonders hochwertig. Der mehr oder weniger manganhaltige Brauneisenstein des Vordertaunus kommt in unregelmäßigen unzusammenhängenden Nestern und Linsen sattel- und muldenförmig und in Form von manganhaltigen Krusten und Knollen vor, ebenso etwas Roteisenstein. Der Roteisenstein des Lahn-Dill-Gebiets enthält zwischen 30 und 50 Prozent Eisen und der Brauneisenstein 20 bis 40 Prozent, der weiter verbreitete Brauneisenstein oder Limonit (2 Fe2O3 x 3H2O) ist das am häufigsten vorkommende Eisenerz. Im Taunus wurde auch Braunstein oder Manganoxid (MnO2) abgebaut, insbesondere bei Ober-Rosbach (Großherzogtum Hessen)von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1926. Mangan wurde erst 1874 als Metall entdeckt, ist spröde und dem Eisen äußerlich ähnlich. Es wird besonders als Stahlveredler verwendet. Der in Nassau geförderte Braunstein wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum allergrößten Teil ausgeführt. Der Brauneisenstein ist nicht mit dem Taunusgestein aus dem Erdaltertum entstanden, sondern durch hydrothermale Prozesse in deutlich jüngerer Zeit. Im feucht-warmen Klima des Erdmittelalters gingen bei der Verwitterung in der Tiefe der Eisensilikat führenden Gesteine Eisen und Mangan in Lösung und wurden in Klüften und Spalten als Krusten und Knollen abgeschieden.
  • Hans-Joachim Gleichmann
    Ein Siegerländer Fördergerüst wird wiederentdeckt
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  • Das von einem bis in die Gegenwart hinein reichenden „Kahlschlag“ der einst so eindrucksvollen Sachzeugen dieses früher bedeutenden Eisenerzreviers Mitteleuropas betroffene Siegerland kann völlig überraschend mit einer Sensation aufwarten. Das Fördergerüst des sog. Neuen Schachtes der einst weltberühmten Grube Stahlberg in Müsen, das nach dem Abriss der Tagesanlagen im Jahre 1938 als vernichtet gegolten hatte, ist allen Annahmen zum Trotz dennoch erhalten geblieben. Es steht heute allerdings in der etwa 820 km entfernten Basse Normandie und wird von französischen Bergbauenthusiasten geliebt und gepflegt.
  • Miszellen Anschnitt Ausgabe 1|2017 
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  • Zwei Daten bieten der Pinakothek der Moderne in München den Anlass, Albert Renger-Patzsch, dem deutschen Protagonisten der neusachlichen Photographie, erstmals eine umfassende Ausstellung seiner Werkgruppe zum Ruhrgebiet auszurichten: Es ist das Jahr seines 120. Geburtstags. Er wurde am 22. Juni 1897 in Würzburg als jüngster von drei Söhnen des Ehepaars Robert und Johanna Frederike Renger-Patzsch geboren, der Beginn der Ausstellung fiel in sein 50. Todesjahr, 1966 starb er in Wamel am Möhnesee. Und es gäbe noch ein drittes, tragendes Argument für gerade diese Schau: 1927, vor 90 Jahren, begann er die Erforschung des Ruhrgebiets mit der Kamera, die eine große Ausbeute an Schwarz- Weiß-Photos für seine Werkgruppe der „Ruhrgebietslandschaften“ „zu Tage förderte“. Offensichtlich plante Renger-Patzsch dazu die Herausgabe eines Bildbands, die aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht zustande kam. Darum ist es umso anerkennenswerter, dass sich das Museum der Aufarbeitung und Präsentation dieses Konvoluts angenommen hat, sodass der „Noch-Kenner“ dieser Industrieregion in Erinnerungen schwelgen und der „Nicht-Eingeweihte“ Blicke auf einen ihm fremden, fast versunkenen Kosmos werfen kann. Ergänzt werden die etwa 85 ausgewählten Photographien in einem Format von 18 x 24 cm, einige im Großformat 30 x 40 cm, durch aufschlussreiche Archivalien und Dokumente, die einen nachhaltigen Eindruck von Renger-Patzschs vielfältigen Themen und Auftragsarbeiten sowie deren wirkungsvollen Publikationen vermitteln.
  • Rainer Slotta: Terrine für James Watt
    Silber, gegossen, getrieben, graviert, London, Richard Cooke, 1811 B 53 cm, Gewicht 6.873 g
    Bochum, Deutsches Bergbau-Museum (Inv.-Nr. 030006253001)
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  • Aus dem englischen Kunsthandel konnte das Deutsche Bergbau-Museum Bochum im Jahre 2009 ein einzigartiges Dokument in Gestalt einer großen silbernen Terrine mit einem zugehörigen Silbertablett erwerben. Dieses von dem bedeutenden Londoner Gold- und Silberschmied Richard Cooke im Jahre 1811 angefertigte Meisterwerk der Gold- und Silberschmiedekunst verehrten die Glasgower Wasserwerke James Watt (1736-1819), um ihm ihren Dank bei der Lösung eines technischen Problems auszudrücken. Die Wasserwerke hatten seinerzeit ein ernstes Problem bei der technisch schwierigen Verlegung einer Rohrleitung durch den Flusslauf des Clyde von ihrem Wasserwerk in Dalmarnock in den Stadtbereich von Glasgow. Nachdem die verlegten Rohre aufgrund der starken Strömung des Flusses mehrfach gebrochen waren, wandten sich die Wasserwerke in ihrer Not an James Watt, der daraufhin mit besonders entwickelten biegsamen Eisenrohren eine funktionierende Verbindungsleitung schuf. Da James Watt ein Honorar für seine Dienste ablehnte, drückten die Wasserwerke ihren Dank an ihn durch ein hochwertiges, repräsentatives Silbergeschenk im Wert von 100 Guineas aus. Darauf nimmt die Inschrift auf der Terrinenvorderseite Bezug: „Presented / to /James Watt L.L.D. / by the Company of Proprietors of the / Glasgow Waterworks / 1811“.
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