Abschluss von Forschungsprojekt zu Varusschlacht

Annika Diekmann im Forschungslabor | Foto: Helena Grebe

Metallurgischer Fingerabdruck weist Legion des Varus in Kalkriese nach: In einem gemeinsamen Forschungsprojekt sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen, und dem Varusschlacht-Museum mit einer neuen wissenschaftlichen Methode der Frage nachgegangen, ob es möglich ist, römischen Legionen einen so genannten metallurgischen Finderabdruck nachzuweisen.

Annika Diekmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Bochum, in ihrer Doktorarbeit mit chemischen Analyseverfahren auf die Spuren der in Kalkriese untergegangenen Legionen begeben und konnte die 19. Legion in Kalkriese identifizieren. „Kriminaltechnisch wäre jetzt der Täter überführt. Die Spurensicherung hat ein weiteres starkes Indiz für Kalkriese als Ort der Varusschlacht erbracht. Mit einer neuen, innovativen Methode haben wir ein starkes Ergebnis erzielt“, so Geschäftsführer Museum und Park Kalkriese Dr. Stefan Burmeister. „Dieses Projekt unterstreicht die Bedeutung des Forschungsstandortes Kalkriese für die Archäologie“, freut sich Landrätin und Aufsichtsratsvorsitzende Anna Kebschull. „Hier wird aber nicht nur geforscht, hier werden die Erkenntnisse aus der Wissenschaft den Bürgerinnen und Bürgern aus dem Osnabrücker Land und weit darüber hinaus in vielfältiger Weise zugänglich gemacht“, so Kebschull weiter. Das Projekt „Kalkriese als Ort der Varusschlacht? – eine anhaltende Kontroverse“ wurde von der VolkswagenStiftung gefördert.

Das Vorhaben und die Fragestellung

Der metallurgische Fingerabdruck beschreibt eine charakteristische Zusammensetzung der chemischen Spurenelemente in den römischen Buntmetallen wie Bronze und Messing. Mit dem Massenspektrometer lassen sich die römischen Funde analysieren und die darin enthaltenen kleinsten Spuren nachweisen. Es zeigt sich, dass sich die Buntmetalle römischer Legionen in ihrer Zusammensetzung unterscheiden lassen. Erste Hinweise darauf konnte Pablo Fernàndez Reyes (Universität Liverpool) in einer früheren Arbeit zu den Legionsstandorten in Großbritannien aus dem 1.–3. Jahrhundert n. Chr. gewinnen. Grund genug die Methode weiterzuentwickeln und auf Kalkriese anzuwenden. Denn nach wie vor gibt es auch in Wissenschaftskreisen Argumente, die gegen die Varusschlacht in Kalkriese sprechen. „Wir verstehen uns als forschendes Museum und haben schon aus unserem eigenen Verständnis heraus ein Interesse, uns der wissenschaftlichen Kritik zu stellen“, so Dr. Stefan Burmeister. Unstrittig ist, dass in Kalkriese eine römische Armee untergegangen ist. Ob es sich um die 17., 18. und 19. Legion aus der Varusschlacht handelt, ist nicht eindeutig. Auf Basis der historischen Überlieferung könnte auch eine Schlacht in Betracht kommen, die sechs Jahre später im Rahmen der römischen Rachefeldzüge unter Germanicus erfolgte. Die archäologischen Funde lassen sich nicht auf sechs Jahre genau datieren und erlaubten deshalb bislang keine klare Aussage.

Die Analyse in der Praxis

Nun haben die Forschenden an sieben Legionsstandorten die Buntmetalle in den Fokus genommen: Diese sind unendlich recyclebar und wurden von den Legionsschmieden vor Ort bearbeitet, z. B. bei der Reparatur von Waffen- und Ausrüstungsteilen wie Fibeln, Gürtelschnallen oder Riemenhalter. „Über zwei Jahre haben wir rund 550 Proben entnommen und mit chemischen Verfahren analysiert“, so Annika Diekmann, Forschungsbereich Forschungslabor in Bochum. Die Metalle, die zur Reparatur in den Lagerschmieden eingesetzt wurden, enthalten Spurenelemente in so geringen Mengen, dass sie von den römischen Schmieden unbemerkt blieben und auch nicht willentlich beeinflusst wurden. Diese Elemente sind über die ursprünglichen Erze, die diversen Zuschläge bei der Verarbeitung oder auch durch Anhaftungen an den Werkzeugen in die Metalle gekommen. Die Verarbeitung vor Ort hat bei den Legionen mit der Zeit zur Ausbildung eines charakteristischen Musters in der Zusammensetzung der Spurenelemente geführt. „So können wir den Legionen, von denen wir wissen, an welchen Lagerstandorten sie stationiert waren, einen eigenen legionsspezifischen metallurgischen Fingerabdruck zuordnen“, beschreibt Diekmann weiter. Darauf aufbauend wurden sämtliche römische Buntmetalle aus Kalkriese beprobt und mit Buntmetallen von zahlreichen römischen Standorten verglichen, bei denen aufgrund der schriftlichen Überlieferung bekannt ist, welche Legionen hier jeweils stationiert gewesen waren. Hierbei lag der Fokus vor allem auf der 19. Legion aus der Varusschlacht sowie den Legionen aus den Germanicus-Feldzügen, die u. a. an der Schlacht bei den langen Brücken teilgenommen hatten.

Das Ergebnis: Die 19. Legion in Kalkriese identifizierbar

Nach Abschluss der Analysen zeigt sich: Vor allem die 19. Legion, die mit Varus untergegangen ist und die Jahre zuvor im süddeutschen Dangstetten stationiert war, hebt sich anhand der Zusammensetzung der Spurenelemente von den anderen Legionen, die erst später in Germanien im Einsatz und an den Rachefeldzügen der Römer beteiligt waren, ab. „Beim Abgleich der Funde aus Kalkriese mit den Funden aus den anderen Fundorten, stellen wir fest, dass die Funde aus Dangstetten und Kalkriese signifikante Übereinstimmungen zeigen. Die Funde, die aus Legionsstandorten kommen, deren Legionen nicht in der Varusschlacht untergegangen sind, grenzen sich hingegen deutlich von den Funden aus Kalkriese ab und weisen somit signifikante Unterschiede zu den Funden aus Kalkriese auf. Auch zum Lagerstandort Haltern finden sich Übereinstimmungen. Wir können die 19. Legion in Kalkriese identifizieren“, fassen die Forschenden Diekmann, Prange und Burmeister das Ergebnis zusammen. Klar ist für alle Beteiligten, dass noch weiterer Forschungsbedarf besteht und die gewonnenen Daten noch weiter ausgewertet werden müssen. „Für die Archäologie ist die Analyse via legionsspezifischem metallurgischen Fingerabdruck eine riesige Chance und eröffnet ganz neue Möglichkeiten“, sagt Dr. Stefan Burmeister. „Als Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft ist es für unsere Arbeit ein Gewinn zeigen zu können, dass materialwissenschaftliche Analysen einen wertvollen Beitrag zu historischer Forschung bieten können“, ergänzt Prof. Dr. Michael Prange, Forschungsbereichsleiter im Deutschen Bergbau-Museum Bochum.