Die Unternehmensstrategie der Bergwerksgesellschaft Hibernia Aktiengesellschaft 1945-1968
In diesem Forschungsprojekt soll untersucht werden, welche Strategien die Hibernia AG als staatseigenes Unternehmen verfolgte, um sich den wandelnden marktwirtschaftlichen und politischen Bedingungen in der Nachkriegszeit und in der Kohlenkrise anzupassen.

Seit Kriegsende litt die Hibernia wie der gesamte Ruhrkohlenbergbau an einem durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Arbeitskräftemangel. Weiterhin waren notwendige Investitionen in die Mechanisierung der Zechen im Nationalsozialismus ausgeblieben. Nach diversen – meist erfolglosen – Versuchen der alliierten Besatzungsmächte, die Kohlenförderung wieder in Gang zu setzen, erlebte die Hibernia AG wie auch der gesamte der Ruhrkohlenbergbau im Zuge des Investitionshilfegesetztes, das frisches Kapital für die dringend benötigten technischen Rationalisierungsmaßnahmen brachte, von 1952-1958 eine kurze Boomphase. Dieser Boom währte, da er sonderkonjunkturell durch den Wiederaufbau und den Koreakrieg bedingt war, nicht lange. Seit 1958 wurde Kohle als Energieträger auf dem Wärmemarkt zunehmend durch Öl und billigere ausländische Kohle verdrängt, wodurch die heimische Steinkohle Marktanteile verlor.
Für ein Steinkohlenbergwerk gab es nach 1945 folgende Möglichkeiten, seine Erzeugnisse abzusetzen: 1. Kohle konnte zu Koks weiterverarbeitet und an ein Hüttenwerk abgesetzt werden. Um ihren Koksbedarf zu decken, integrierten Hüttenwerke die Steinkohlenförderung und –verarbeitung in ihr Unternehmen. 2. Kohle konnte für den Hausbrand verkauft werden. 3. Kohle wurde als Energieträger bei der Verstromung benötigt. 4. Ein Bergwerk konnte, die bei der Verkokung anfallenden Kohlenwertstoffe in chemischen Betrieben weiterverarbeiten oder weiterverarbeiten lassen. Die dabei anfallenden Gase konnten zudem auf dem Wärmemarkt abgesetzt werden.
Da die Hibernia AG als freie Zechengesellschaft nicht an ein Hüttenwerk angeschlossen war, war sie auf andere, gesicherte Absatzkanäle angewiesen, um Unsicherheiten im Absatz entgegenzuwirken. In Folge der Kohlenkrise und des Verlustes von Marktanteilen der Steinkohle auf dem Wärmemarkt und bei der Verstromung verschärfte sich die Absatzlage für die Hibernia AG. Als Gegenmaßnahme konnte das Unternehmen seine geförderte Kohle durch Diversifizierung bzw. vertikale Vorwärtsintegration in eigenen Tochterunternehmen weiterverarbeiten. Hierfür bot sich unter anderem die Möglichkeiten im Bereich der Nutzung von Kohlenwertstoffen in der chemischen Industrie an. Für diese Zwecke hielt die Hibernia AG wesentliche Beteiligungen an den Chemischen Werken Hüls und betrieb ein eigenes Stickstoffwerk.
Bereits Anfang der 1950er Jahre, als das Mineralöl in Deutschland noch keine wesentliche Rolle spielte, baute das Unternehmen die aus der Zeit des Nationalsozialismus vorhandenen, im Besitz der Tochtergesellschaft Scholven Chemie AG befindlichen Hydrieranlagen um, so dass die Anlagen für die Verarbeitung von Erdöl statt Steinkohle genutzt werden konnten. So gelang es der Hibernia AG bereits vor der zunehmenden Dominanz des deutschen Energiemarktes durch das Erdöl, sich in diesem wirtschaftlich erstarkenden Sektor Anteile zu sichern.
Durch die vertikale Vorwärtsintegration in den Chemiesektor und die Diversifizierung in die erdölverarbeitende Industrie konnte das zum Teil defizitär betriebene Geschäft mit der Steinkohlenförderung kompensiert werden, wobei sie weiterhin als wichtiges Unternehmensfeld erhalten blieb: für die Belieferung der chemischen Industrie mit Kohlenwertstoffen. Trotzdem war der Niedergang der Steinkohlenförderung spätestens seit der Kohlenkrise 1958/59 offenkundig. Da die Rationalisierungs- und Desinvestitionsmaßnahmen kaum Verbesserungen auf dem Steinkohlensektor mit sich brachten und gleichzeitig der Chemie- und Mineralölsektor immer höhere Gewinne auswies, wurden die Bereiche Chemie und Mineralölverarbeitung für die Strategie der Hibernia AG zunehmend bedeutender. Diese erwiesen sich nicht zuletzt als besonders profitabel, da die Investitionen im Bereich Chemie und Erdöl im Vergleich zu den Investitionen in den Steinkohlesektor niedrig waren, dafür aber höhere Gewinne abwarfen. Zudem ließen sich die Chemieanlagen leichter umbauen und für andere Zwecke verwenden. Somit waren auch die sunk costs im Bereich Chemie geringer als im Steinkohlesektor.

Project informations

Kontakt

Daniel Dören

Team

Daniel Dören

Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Bergbaugeschichte

beteiligte forschende Bereiche
Laufzeit

11/2015 – 08/2018

Förderung
Kooperation

Prof. Dr. Dieter Ziegler (Betreuer), Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

  • Daniel Dören: „Also nur die technische Sicherheit und das baare Geld“. Die Absatzorganisation der Firma Krupp in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Der Anschnitt 68 (2016) 1-2, S. 35-44.