Call for Papers: Tagung des Leibniz-Forschungverbunds Wert der Vergangenheit

Quelle: montan.dok (030005201001)

Für die Tagung „Geschichten und Bilder von ost- und westdeutschen Bergbaulandschaften seit den späten 1980er-Jahren zur eigenzeitlichen Transformation von Montanindustrien aus künstlerischer Perspektive“ des Leibniz-Forschungsverbunds „Wert der Vergangenheit“ gibt es einen Call for Papers. Bewerbungsfrist ist der 30. November 2023. Die Tagung findet vom 11. bis 13. April 2024 statt.

Spätestens seit Beginn der 1990er-Jahre teilen die deutschen Montanindustrien in Ost und West ein ähnliches Schicksal. Mit dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung sind es nicht mehr nur vorrangig das westdeutsche Ruhrgebiet und das Saarland, die mit ihrem Zechensterben fundamental von wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Transformation betroffen sind. Auch ein Großteil der Tagebaue im Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlenrevier sowie der Uranerzabbau der vormals sowjetisch-deutschen Bergbaugesellschaft Wismut standen vor ihrem Ende. In all diesen Regionen waren nicht nur die dort arbeitenden Menschen davon tangiert, sondern ebenso die industriell ausgebeutete Umwelt. Die materiellen Hinterlassenschaften – ehemalige Fabrikkomplexe oder Kippen, Halden und Restlöcher – wurden in zunehmendem Maße um- und abgebaut. Durch die landschaftliche Überformung veränderte sich das Erscheinungsbild dieser Bergbaulandschaften grundlegend. Zugleich wandelte sich ihre Wahrnehmung, was wiederum Auswirkungen auf kollektive Bildgedächtnisse und Narrative der jeweiligen Regionen hatte. Damit verbunden waren Fragen nach sozialer und kultureller Identität, nach Zugehörigkeit und Heimat ebenso wie nach Entfremdung und Distanz, was für die ostdeutschen Regionen sogar in doppelter Hinsicht gelten mag.

Einblicke in die einschneidenden Wandlungsprozesse und Wahrnehmungsverschiebungen geben nicht zuletzt die zeitgenössischen Künste und dokumentarische Medien in Form von Literatur, Film, Fotografie und bildender Kunst. Deren Urheber:innen sind häufig biographisch mit der schwindenden Montanindustrie verbunden und setzen sich mit den physischen, wirtschaftlichen und kulturellen Landschaften des Bergbaus auch als ihrem kulturellen Erbe auseinander. Ihre Erzählungen und Bilder sind mithin nicht nur ästhetische, sondern gleichfalls kultur- und sozialhistorische Zeugnisse davon, wie mit Bergbaulandschaften in diesen Umbruchzeiten umgegangen wurde.

Den Gestaltungen der sich transformierenden Montanlandschaften ist das Moment der Zeitlichkeit im Sinne von „ästhetischen Eigenzeiten“ inhärent. In der Konzentration auf die politisch, sozial, kulturell und regional je spezifisch ausgeprägten künstlerischen Gestaltungsweisen von montangeschichtlichen Transformationsprozessen kann zudem in der Produktion und Rezeption die geschichtskulturelle Eigenzeitlichkeit weiter ausdifferenziert werden. Denn ebenso interessant erscheint es im Kontext von ästhetischer Transformationsverarbeitung auch, nach dem historischen Selbstverständnis und den damit verbundenen Erinnerungshorizonten zu fragen, welche die ästhetischen Darstellungen von Abbruch, Umbruch, Aufbruch, von kulturellem und sozialem Verlust oder auch Gewinn unter Berücksichtigung der je spezifischen politischen Hintergründe eröffnen. Künstlerische und mediale Zeugnisse des Umbruchs in Montanlandschaften bieten sich als besonders interessante Untersuchungsgegenstände an. Da sie als empfindsame Seismograph:innen unruhiger Zeiten Geltung beanspruchen, reflektieren sie im vorliegenden Kontext die durch die Transformationsprozesse gleichfalls in Bewegung versetzten raumzeitlichen Wahrnehmungs- und Ordnungsmuster.

Die Tagung möchte kunst-, literatur-, medien- und filmwissenschaftliche Expertisen über diese künstlerischen Transformationszeugnisse in Ost- und Westdeutschland zusammenbringen. Noch stärker als aus sozial-, politik- und umweltgeschichtlicher Perspektive ist der vergleichende Blick auf das kulturelle Spektrum im Umgang mit der montanindustriellen Transformation in Ost- und Westdeutschland einschließlich der je spezifischen Prämissen und Befunde bislang noch weitgehend unerforscht. Dabei gehen wir von einem weiten Kunstbegriff aus; d. h., es sollen auch dokumentarische Genres wie etwa literarische und filmische Reportagen oder auch die Gebrauchsfotografie einbezogen werden. Dies schließt professionelle Kunstschaffende genauso mit ein wie Amateurschaffen, Vereine und die Tätigkeit von industriellen Betrieben in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit.

Aus unserer aktuellen Perspektive lassen sich mit der Untersuchung künstlerischer und medialer Bearbeitungen nicht nur die vergangenen Gegenwarten seit den späten 1980er-Jahren in Ost und West kulturhistorisch erschließen. Diese eröffnen zugleich Aufschlüsse über die ortsabhängigen Historizitätsverständnisse und die darin eingeschriebenen bzw. eingeprägten Wertzuschreibungen von Vergangenheit, die noch immer gegenwartswirksam sind. Angesprochen ist damit auch das wenig erkundete Feld der Kommodifizierung der Vergangenheit, indem die Montanindustrie ästhetisch aufgewertet und in neuen Kontexten wie Tourismus und Stadtmarketing genutzt wird.

Mögliche Fragestellungen:

  • Wie werden die Veränderungen der Montanlandschaften bildlich und narrativ dargestellt und in ihrer Dynamik verarbeitet?
  • Welche emotionalen, sozialen, politischen und historischen Kontexte sind in die gestalteten Geschichten und Bilder eingewoben bzw. lassen sich aus ihnen erschließen?
  • Wie werden die mit dem Strukturwandel in Bewegung geratenen Raum-Zeit-Perspektiven ästhetisch gestaltet und verhandelt?
  • Welche Rolle spielen die je unterschiedlich von Politik und Kultur geprägten Montanindustrie-Vergangenheiten in Ost und West für die künstlerischen Verarbeitungen von Deindustrialisierung und Strukturwandel?
  • Welche spezifisch ästhetisch und geschichtskulturell geprägten Verarbeitungsmuster lassen sich vor dem Hintergrund politisch, sozial und kulturell unterschiedlicher Sozialisationen in Ost und West erkennen und wodurch zeichnen sie sich aus?
  • Wie beeinflussten neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Mobilität die künstlerische und mediale Auseinandersetzung mit Bergbaufolgelandschaften infolge der deutschen Wiedervereinigung?

Entsprechend der Tagungsthematik sind Themenvorschläge aus der Geschichts- und Kulturwissenschaft, aber vor allem auch aus den Bereichen der Kunst-, Literatur-, Medien- und Filmwissenschaften sehr willkommen. Dabei können einzelne Werke und Werkkomplexe oder aus interdisziplinärer Warte kulturelle und künstlerische Verflechtungen in den Blick genommen werden.

Auf der Tagung werden wir die vergleichende Erarbeitung künstlerischer Ost- und West-Perspektiven mit Hilfe von Reflexions- und Diskussionsformaten produktiv vorantreiben. Beiträge können sich auf künstlerische Gestaltungen von entweder ostdeutschen oder westdeutschen Transformationslandschaften des Bergbaus konzentrieren. Selbstverständlich sind auch Beiträge willkommen, die bereits komparatistisch angelegt sind.

Vorgehen & Fristen:
Themenvorschläge (300-500 Wörter) und einen kurzen CV (max. 1 Seite) senden Sie bitte als ein pdf-file bis zum 30.11.2023 an: stopka@zzf-potsdam.de und michael.farrenkopf@bergbaumuseum.de

Reisekosten und Unterkunft können für Vortragende von den Veranstaltern übernommen werden.

Die Tagung wird finanziell unterstützt vom Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“.

Sie finden den CfP hier zum Download.