Das iranische Hochland
Mining regions of the Central Plateau between resilient and precarious societal and economic strategies
Das iranische Hochland nimmt in verschiedenen Perioden der Kulturentwicklung eine bedeutende Rolle ein: Seine Gesellschaften stehen in engem Austausch mit den umliegenden Kulturräumen, zu denen sich immer wieder politische und wirtschaftliche Beziehungen entwickeln konnten. Wiederholt kommt es zu einer Intensivierung der Beziehungen aus Mesopotamien, Kaukasien oder Mittelasien, sei es durch Wirtschaftsverkehr, Zuwanderung oder politische Inklusion. Umgekehrt haben es die Gesellschaften des iranischen Hochlandes nicht weniger verstanden, diese Beziehungen in ihren eigenen Netzwerken zu integrieren, sie umzuformen oder sich ihnen gegenüber widerständig zu verhalten. Das Hochland und seine Hochlandakteure konnten so verschiedentlich eine prägende Rolle auf ihre Umfelder einnehmen und politische, ökonomische und soziale Wirkung entfalten. Die Landschaften, ihre Ressourcen und spezifischen Lebensbedingungen trugen zu dieser Entwicklung bei, dennoch sind die kulturellen, sozialen wie wirtschaftlichen Prozesse für verschiedene Perioden kaum im Detail untersucht, standen sie doch meist im Schatten einer „auswärtigen“ – beispielsweise mesopotamischen – Perspektive. Das Schwerpunktprogramm (SPP) versteht das iranische Hochland sensu lato als das zentrale iranische Plateau mit seinen Randgebirgen, dem Kopet Dag im Nordosten, dem Elburs im Norden, dem Zagros im Süden und Südwesten, sowie dem Urmia-See und Südkaukasus im Nordwesten. Das SPP versucht die verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Prozesse dieses Raums nach drei grundsätzlich beschreibbaren Bereichen, den Rohstoffregimen, den institutionellen Verhältnissen und der Mobilität seiner Bewohner nachzuzeichnen. Dabei werden sowohl die verschiedenen Formen von Krisenbewältigung und sozialer Widerständigkeit als auch die kulturelle Integrationsfähigkeit als tragende Elemente dieser Hochlandgesellschaften untersucht.

Die teilweise ariden Hochlandschaften des iranischen Zentralplateaus fallen – obschon durch Wasserarmut, Pastoralismus und oasenartige Gartenbausubsistenz geprägt – durch ihren enormen Reichtum an mineralischen, vor allem metallischen Rohstoffen auf. Diese haben, ausgelöst durch den spezifischen Rohstoffreichtum sehr spezifische Rohstoffregime hervorgebracht. Diese hatten vor allem in der Frühphase der metallurgischen Entwicklung im 5. und 4. Jt. v. Chr., zu Beginn der Eisenzeit, am Ende des 2. Jt. v. Chr., und wiederum während der archämenidischen und vor allem auch sassanidischen bis frühislamischen Perioden prägende wirtschaftliche und soziale Bedeutung. Dabei etablierten sich im Umfeld bedeutender Rohstoffquellen rural organisierte Siedlungs- und Subsistenzsysteme, die in enger Symbiose mit der Ausbeutung der wichtigen mineralischen Ressourcen standen. Dabei können unterschiedliche adaptive Systeme von Nordwesten entlang der ariden Wüstenzonen bis hin nach Kerman im Südosten Irans beobachtet werden. Das Projekt möchte neben der Rohstoffgewinnung selbst auch die spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Konzepte im Umfeld von Kupfer-, Salz-, und Blei-/Silber-/Zinklagerstätten erforschen und eine diachrone Perspektive für die Deutung der sozialen und wirtschaftlichen Prozesse in den Hochlandgesellschaften erarbeiten. Neben der Salzlandschaft um das Salzbergwerk von Chehrabad sollen Montan- und Siedlungssysteme bei Shakin (nahe Takestan), im Umfeld der Kupfer- und Bleizinklagerstätten von Nakhlak und Baqoroq sowie im Bardsir-Tal südlich von Kerman mit der berühmten Fundstelle von Tall-i Iblis untersucht werden. Mit Hilfe von intensiven Surveys, kleineren Teilausgrabungen in Gruben sowie einzelnen Siedlungsgrabungen sollen Beispiele aus vier Zeitscheiben (Chalkolithikum/Frühbronzezeit, achämenidische Zeit; sassanidische Zeit; frühe bis mittelislamische Zeit) untersucht und verglichen werden.

Im Zentrum des SPP 2176 stehen die unterschiedlichen „Highlandscapes“, die mit Hilfe eines interdisziplinär und diachron angelegten Ansatzes zwischen Archäologie, geowissenschaftlicher Archäometrie, Archäobiologie, Iranistik sowie Alter Geschichte und Altorientalistik untersucht werden sollen. Forschungsprojekte sollen die vielfältigen Lebenswelten herausarbeiten, wobei es darum geht, wie sich die für das iranische Hochland beobachtbare gesellschaftliche Resilienz in wirtschaftlichen, sprachlichen, und sozialen Mustern sowie in der Kraft zur politisch-sozialen Integration epochenspezifisch ausgeprägt hat. Dazu gehören auch Wissenstransfer und Austausch sowie Erinnerungskulturen in Sprache, Religion und Sachkultur. Das SPP zielt darauf ab, die verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Prozesse in drei Schwerpunktfeldern systematisch zu erfassen:

1. in Rohstoffregimen und deren Vernetzung

2. in institutionalisierten Verhältnissen, die von formal-öffentlichen Einrichtungen bis zu Familienstrukturen reichen können

3. in Mobilitätsmustern und deren natürlichen und kulturellen Umweltbezügen.

Das für den SPP aufgesetzte Koordinierungsprojekt wird in Kooperation zwischen dem DBM, der RUB, dem DAI und der FU Berlin durchgeführt und wird verschiedene Schwerpunkte beinhalten, die neben der administrativen und wissenschaftlichen Koordination des SPP 2176 auch ein Archäoinformatik-Projekt zu den o.g. drei zentralen Schwerpunktfeldern beinhaltet. Daneben sollen drei große Konferenzen zu den Themen des Schwerpunktes, Workshops und ein auf die Förderung iranischer Nachwuchswissenschaftler ausgerichtetes Fellow-Programm organisiert werden.

 

Abgeschlossene Dissertation

Gabriela Ruß-Popa
Untersuchungen zur eisenzeitlichen Leder- und Felltechnologie (2016)

Abolfazl Aali
ChehrAbad Salt Mine: Archaeological Excavation in 2004-2005 (2019)

 

Abgeschlossene Masterarbeiten

Katja Kosczinski
Die Abbaugeräte im antiken Salzbergwerk von Douzlākh (Chehrābād, Zanjān, IR). Eine taphononomische und experimentelle Annäherung (2019)

Fabian Schapals
Stratigraphische und taphonomische Analyse des antiken Salzbergwerkes von Chehrabad, Iran (2019)

Project informations

Kontakt
Projektleitung
Team

Dr. Petra Eisenach

Annette Hornschuch

Katja Kosczinski

Fabian Schapals

Dr. Natascha Bagherpour

Dr. Kristina Franken

Dr. Iman Mostafapour

Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Montanarchäologie

beteiligte forschende Bereiche
Laufzeit

2019 bis 2025

Förderung
Kooperation

Ruhr-Universität Bochum

Dr. Abolfazl Aali (Zanjan, ICHTO)

RICHT. RCCCR und ICAR Teheran

Dr. Marjan Mashkour

NMHN Paris

Universität Zürich (Prof. Dr. F. Rühli)

  • A. Aali, Th. Stöllner, A. Abar, F. Rühli, The Salt Men of Iran: The Salt Mine of Douzlākh, Chehrābād. Arch. Korrbl. 42/1, 2012, S. 61-81.
  • A. Aali, A. Abar, N. Boenke, M. Pollard, Fr. Rühli, Th. Stöllner, Ancient salt mining and salt men: the interdisciplinary Chehrabad Douzlakh project in north-western Iran. In collaboration with Don Brothwell, Irene Good, Matthieu Le Bailly, Karl Link, Marjan Mashkour, Gholamreza Mowlavi, Masoud Nezamabadi, Hamed Vahdati Nasab & Christina Warinner. Antiquity Project Gallery, 2012, antiquity.ac.uk/projgall/aali333/.
  • A. Aali, Th. Stöllner (eds.), The Archaeology of the Salt Miners. Interdisciplinary Research 2010-2014. Metalla (Bochum) 21.1-2, 2014 (2015) 1-141 (Persian: S. 143-216).
  • Z. Askari, S. Mas-Coma, A.S. Bouwman, N. Boenke, T. Stöllner, A. Aali, M. Rezaiian, G. Mowlavi, Fasciola hepatica eggs in paleofaeces of the Persian onager Equus hemionus onager, a donkey from Chehrabad archaeological site, dating back to the Sassanid Empire (224–651 AD), in ancient Iran. Infection, Genetics and Evolution 62, 2018, S. 233-243.
  • L. Öhrström, T.Stöllner, A. Aali, F. Rühli, Antiken Bergleuten auf der Spur. Die Salzmumien von Douzlākh. Antike Welt 6/2016, S. 20-24.
  • Öhrström, L., Seiler, R., Böni, T., Aali, A., Stöllner, T., Rühli, F., Radiological Findings in an ancient Iranian salt mummy. Skeletal Radiol, 2016; epub Feb 7. IF: 1.7 (Erratum: Skeletal Radiol. 2016 Mar; 45(3): 433).
  • M. Nezamabadi, A. Aali, Th. Stöllner, M. Mashkour, M. Le Bailly, Paleoparasitological analysis of samples from the Chehrabad salt mine (Northwestern Iran). International Journal Paleopathology (2013) http://dx.doi.org/10.1016/j.ijpp.2013.03.003