Gefährdet in Museen: Kulturerbe aus Kunststoffen

Foto: Helena Grebe

Eine gemeinsame internationale Konferenz der Museen der Universität Cambridge und der Leibniz-Forschungsmuseen befasste sich mit dem drohenden Zerfall von Kunststoffobjekten in musealen Sammlungen. Die Mitschnitte und eine Zusammenfassung der Tagung sind jetzt online verfügbar.

In vielen Museen wächst ein Problem. In den Sammlungen lagern mehr und mehr Objekte aus Kunststoffen, denn Kunststoffe sind in den vergangenen 100 Jahren zunehmend zu einem wichtigen Teil unseres Alltags und damit auch unseres kulturellen Erbes geworden. Nur sind Kunststoffe oft von Natur aus instabil und beginnen sich in den Depots der Museen allmählich aufzulösen, manche schmelzen oder fangen an zu riechen, andere verhärten und bilden Risse. Betroffen sind zum Beispiel die ersten Kunststofftastaturen, Fußballstollenschuhe, Brillen, Maschinenteile und auch wertvolle Kunstwerke.

Über die Herausforderungen bei Restaurierung und Konservierung von Kunststoffen haben sich Ende vergangenen Jahres hunderte Forscherinnen und Forscher aus aller Welt in einer mehrtägigen virtuellen Konferenz ausgetauscht. Die Videomitschnitte der gemeinsam von den Museen der Universität Cambridge und den Leibniz-Forschungsmuseen organisierten Konferenz „Plastics in Peril: conservation of polymers in cultural heritage“ sind jetzt für Fachleute aus Museen und Forschung auf der Website der Leibniz-Forschungsmuseen und dem YouTube-Kanal der Museen der Universität Cambridge verfügbar.

„Kunststoffe sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken und finden sich daher in allen Teilen unseres Kulturerbes“, sagte Julie Dawson, Leiterin der Konservierungsabteilung am „Fitzwilliam Museum Cambridge“, zur Einführung in die Konferenz. Dabei hätten sich Kunststoffobjekte vom Zeichen für Innovation und Fortschritt auch zu einer weltweiten Gefahr für die Umwelt entwickelt.

„In der Leibniz-Gemeinschaft wird der nachhaltige Umgang mit Kunststoffen aus Sicht unterschiedlichster Disziplinen erforscht“, ergänzte Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Die Leibniz-Forschungsmuseen fokussierten sich auf die Geschichte der Entwicklung und des Umgangs mit Kunststoff als historischem Material. Dabei, betonte Matthias Kleiner, sei es wichtig, dass die Arbeit der Museen nicht nur den internationalen wissenschaftlichen Diskurs bei Konferenzen wie „Plastics in Peril“ bereichere. Auch durch Ausstellungen, Tage des offenen Labors und Schulprogramme werde das Thema Kunststoff mit seiner Geschichte, Forschung und aktuellen gesellschaftlichen Bezügen für die Öffentlichkeit erlebbar. An diesen beiden Punkten – der Stärkung der Internationalisierung sowie der Wissensvermittlung – setzt auch der gemeinsame „Aktionsplan Leibniz-Forschungsmuseen“ an, aus dem die Konferenz gefördert wurde.

Stefan Brüggerhoff, Direktor des Deutschen Bergbau-Museums Bochum ‑ Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen und zugleich Koordinator des Leibniz-Netzwerks Restaurierung/Konservierung, das einer der Ausrichter der Tagung war, machte deutlich, dass es sich bei dem Konferenztitel „Plastics in Peril“ („Kunststoffe in Gefahr“) um einen Warnruf handele, den Museen und Wissenschaft nur gemeinsam durch internationale Zusammenarbeit in ein „Plastics preserved“, also „Kunststoffe konserviert“, umwandeln könnten. Seitens der Leibniz-Gemeinschaft waren neben dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum federführend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Museums in München sowie des Museums für Naturkunde Berlin an der Organisation der Konferenz beteiligt.

Über vier Tage und 15 Zeitzonen diskutierten und erläuterten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz Ansätze zur Pflege von Kunststoffobjekten in Museen wie die Identifizierung von Materialien, Sammlungsmanagement und -lagerung, Konservierungsbehandlungen und Verpackungen.

Die pandemiebedingt virtuell stattfindende Konferenz ermöglichte ein umfangreiches und vielfältiges Programm sowie ca. 1.000 Anmeldungen aus aller Welt. Leibniz-Präsident Matthias Kleiner äußerte die Hoffnung, dass die Konferenz einen Impuls für eine stärkere und vertiefte internationale Zusammenarbeit bei den globalen Herausforderungen für Konservierungsforschung und Museen sein werde. Weitere Veranstaltungen für den Sommer 2021 sowie eine gemeinsame Publikation mit den Ergebnissen der Konferenz sollen folgen.

Neben der Videoaufzeichnung gibt ein Blogartikel von Sophie Rowe, Konferenz-Organisatorin seitens der Museen der Cambridge Universität, einen zusammenfassenden Überblick über Inhalte und Ergebnisse der Konferenz.

 

Acht Leibniz-Forschungsmuseen – ein Aktionsplan

Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft sind Forschungseinrichtungen zur Erdgeschichte und Artenvielfalt, zur Kultur- und Technikgeschichte mit einem klaren gesellschaftlichen Auftrag. Sie ermöglichen lebendige Teilhabe an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den zentralen Fragen unserer Gegenwart und stärken auf diese Weise den Aufbau einer demokratischen Wissensgesellschaft. Im „Aktionsplan Leibniz-Forschungsmuseen“ entwickeln sie gemeinsam innovative Strategien, Aktionsräume und Programme.

Aktivitäten finden dabei an den Museen und neuen Orten, analog und digital statt. Zudem arbeiten die Museen im Aktionsplan an Einzel- und Gemeinschaftsprojekten, in Kooperation mit externen Partnern sowie interdisziplinär und international. Das Ziel der Museen ist es, Austausch und Dialog über große globale Herausforderungen unserer Zeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern und breite Gesellschaftsschichten „barrierefrei“ anzusprechen. Bei gemeinsamen Aktivitäten erfolgt dies unter der Überschrift „Eine Welt in Bewegung“ zu den Themen Mobilität – Migration – Bewegung.

Ermöglicht wird der Aktionsplan durch eine Sonderfinanzierung auf Beschluss des Bundestages vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Bundesländern, in denen die Forschungsmuseen ihren Sitz haben.