Forschungsprojekte

Silber, Blei und Dampfkraft – Montanarchäologische Untersuchungen des mittelalterlichen und hochindustriellen Grubenareals Ratzenscheid-Landeskrone bei Wilnsdorf im Siegerland
Das Grubenareal Ratzenscheid-Landeskrone bei Wilnsdorf-Wilden, Kreis Siegen-Wittgenstein, ist ein bedeutendes Montandenkmal des Hohen Mittelalters und der Hochindustrialisierung und wird seit 2016 in einer Kooperation aus dem Verein für Siegerländer Bergbau e.V., dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum und der LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe montanarchäologisch untersucht.

Der Komplex besteht zum einen aus dem Montanareal Ratzenscheid mit Pingen und einem Stollen und zum anderen aus später aufgeschlossenen Bereichen der Grube Landeskrone. Die älteste bekannte Urkunde zum Bergbau im Siegerland beschreibt die Verleihung des Ratzenscheids 1298 von Adolf von Nassau an seine Vettern. Ausdrücklich wird das Bergwerk als Silberbergwerk bezeichnet und muss daher im 13. Jahrhundert eine wirtschaftliche Bedeutung besessen haben. Weitere historische Aufzeichnungen sind rar, lassen aber rekonstruieren, dass der Ratzenscheid in unterschiedlich langen Phasen bis in das 16. Jahrhundert betrieben wurde. Das Montanareal Landeskrone – der Name wurde erst 1802 anlässlich eines Besuchs Wilhelm IV. Prinz von Oranien vergeben – wurde ab dem frühen 18. Jahrhundert erschlossen. Dabei wurde zeitweise der mittelalterliche Stollen des Ratzenscheid mitgenutzt und die untertägigen Arbeiten der Grube Landeskrone überprägten vielfach ältere Strukturen des Ratzenscheids. Über den „Tiefen Stollen Landeskrone“ wird ein untertägiger Hallenkomplex erreicht, in dem die erste Dampfmaschine des Siegerlandes 1852-1878 untertage arbeitete.

Zunächst wurden silberhaltiges Fahlerz und Bleierz abgebaut, dann mit der Anlage des Tiefen Stollen Landeskrone ab dem 18. Jahrhundert auch Zink- und vor allem Eisenerz. Durch die Installation der Dampfmaschine konnte die Grube als Tiefbau betrieben werden. 1878 war die Dampfmaschine abgenutzt und die Qualität der Erzvorkommen in 90 Meter Teufe verschlechterte sich. Dies führte zur Einstellung des Tiefbaus und die Dampfmaschine wurde abgebaut.

Mit einer Öffnung des Stollens 2015 zur Prüfung der Standsicherheit durch den Landesbetrieb Straßen.NRW im Zuge des Ausbaus der Bundesautobahn 45, ergab sich die Möglichkeit den Stollen samt anschließenden Hallenkomplex erstmalig montanarchäologisch zu erkunden. Erstes Resultat war die dreidimensionale Vermessung mit Hilfe von Struture from Motion (SfM) (Link zum Film "Das Monument unter dem Berge"), was zu diesem Zeitpunkt das größte SfM-basierte 3D-Modell Nordrhein-Westfalens war.

Archäologische Ausgrabungen sowie geophysikalische Prospektionen im übertägigen Areal Ratzenscheid schlossen 2017 an und seit 2018 wird intensiv das weit verzweigte untertägige Areal erkundet. Höhepunkte sind dabei die Wiederauffindung des mittelalterlichen Stollens Ratzenscheid sowie die archäologische Freilegung der Sohle einer kleinen Blindschachthalle (der Schacht endet untertage in der Halle), die auf Stollenniveau zeitlich vor der Dampfmaschinenhalle errichtet wurde. Hierbei ließen sich einige konstruktive Holzreste des 19. Jahrhunderts bergen.

Weiter wurde ein unvollendeter Schacht, der am Hallenkomplex der Dampfmaschine beginnt und dann 45 m über der Schachthallensohle endet, erkundet. Nach der historischen Überlieferung handelt es sich hierbei um ein Projekt der letzten Betriebsphase nach Abbau der Dampfmaschine und 1897 war der Schacht bereits über 35 m hoch. Erst mit der Insolvenz der Grube 1901 sollen die Arbeiten geendet haben.

Die Dokumentation des Grubenkomplexes musste im Laufe der Forschungen nicht nur erweitert, sondern auch verfeinert werden. So erfolgte 2023 eine dreidimensionale Neuvermessung mit Hilfe eines 3D-Laserscanners, da bei der Erstverfassung per SfM beispielsweise Strukturen, wie Ruß- und Dampfabzüge an der Hallenfirste nicht erfasst werden konnten. Diese 3D-Neuerfassung in Kombination mit der texturierten SfM-Dokumentation von 2016 bilden die Grundlage eines animierten 3D-Models der Kesselhalle samt rekonstruierter Dampfmaschine, die, gefördert mit Landesmitteln NRW, von der Firma realtimecapsule für die LWL-Archäologie für Westfalen umgesetzt wurde (HIER folgt seitnah der Link zum animierten 3D-Model). 

2025 soll die montanarchäologische Dokumentation der neu entdeckten mittelalterlichen Streckenbereiche realisiert werden.

Informationen zum Projekt

Kontakt

Dr. Jennifer Garner

Projektleitung

Dr. Jennifer Garner, Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Montanarchäologie

Dr. Manuel Zeiler (LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe)

Meinhard Weber (Verein für Siegerländer Bergbau e.V.)

Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Montanarchäologie

beteiligte Forschungsbereiche
Laufzeit

seit 2016, fortlaufend

Manuel Zeiler, Rolf Golze und Meinhard Weber, Die Grube Landeskrone bei Wilnsdorf, Kr. Siegen-Wittgenstein. In: Jennifer Garner, Meinhard Weber, Manuel Zeiler (Hrsg.), Tagungsband 23. Internationaler Bergbau- & Montanhistorik-Workshop Wilnsdorf/Siegerland 2023 (Clausthal-Zellerfeld 2021), 9-27.

Manuel Zeiler, Rolz Golze, Die Grube Landeskrone bei Wilnsdorf, Kr. Siegen-Wittgenstein. Montanarchäologie in Westfalen 3 (Münster 2022).