Die Schätze von Ur

Foto: Eveline Salzmann

In den rund 4.500 Jahre alten Königsgräber von Ur fanden sich enorme Schätze aus Gold, Silber, Kupfer und den frühesten Bronzen. Deren Erforschung steht im Fokus eines gemeinsamen Projekts des Deutschen Bergbau-Museum Bochum, der Goethe-Universität Frankfurt am Main, dem University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology (Penn Museum), der Université Toulouse, dem British Museum und des Metropolitan Museum of Art in New York. Aktuell beschäftigt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche handwerklichen Fertigkeiten die (Gold-) Schmiede dieser einmaligen Fundstücke besaßen und woher die vielen Metalle zu den ältesten Stadtstaaten in Mesopotamien kamen.

Eine sagenhafte Entdeckung

Zwischen 1922 und 1934 entdeckte der britische Archäologe Sir Leonard Woolley im Auftrag des des British Museum, London, und des Penn Museum, Pennsylvania, mehr als 2.000 Gräber in Ur. Einige enthielten umfangreiche Schätze aus Gold, Silber, Kupfer und Bronze. Weltruhm erlangte die Bestattung eines Herrschers, dem sein gesamter Hofstaat in den Tod folgte. Neben Dienern, Wächtern, Soldaten, Musikanten und weiteren Gefolgsleuten fanden auch ein von Ochsen gezogener Wagen und eine Frau namens Puabi – vielleicht seine Gemahlin –, Platz in seinem Grab. Puabi wurde mit unvergleichlichen Preziosen und Habseligkeiten bestattet. Bei ihr fanden sich Schmuckstücke, Kleiderkisten, Musikinstrumenten, Helme, Alabastergefäße, Haarbänder aus Gold, Tafelsilber und Tafelgold, Muschelschalen mit Kosmetik sowie viele weitere Objekte aus Gold, Silber, Kupfer und Bronze.

Den antiken Handwerkern auf der Spur

Alle diese Kostbarkeiten sind ein wahrer Schatz für die Archäologie. Zeigen sie doch, dass die frühen Kulturen des Zweistromlandes über immenses kunsthandwerkliches und metallurgisches Know-How verfügten. Welche Techniken in frühdynastischer Zeit insbesondere die damaligen Goldschmiede im Einzelnen beherrschten und anwandten, ist eine der Forschungsfragen, denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem gemeinsamen Projekt nachgehen.

Dazu reisten Prof. Dr. Andreas Hauptmann, ehemaliger DBM-Projekt- und Forschungsbereichsleiter der Archäometallurgie, Eveline Salzmann, Doktorandin aus Frankfurt und Dr. habil. Barbara Armbruster, gelernte Goldschmiedin sowie Vor- und Frühgeschichtlerin der Université Toulouse , Anfang Februar diesen Jahres nach Philadelphia. Im Penn Museum bot sich ihnen die Chance, einige der Gold- und Silberfunde selbst in Augenschein zu nehmen und Untersuchungen durchzuführen. 

Techniken der Goldschmiedekunst

Salzmann, die über analytische, archäologische und technische Studien an Silber-, Kupfer- und Bronzeartefakten der Sammlung des Penn Museums promoviert, studierte die von ihr analysierten Artefakte vor Ort. Die Wissenschaftlerinnen fokussierten sich auf die Schmiedetechniken, die sie beschrieben und fotografierten. 

Ersten Ergebnissen zufolge beherrschten die damaligen Goldschmiede in Ur das metallische Lot und konnten sehr feine Goldarbeiten durchführen, wobei sie häufig Goldbleche verwendeten. Ihre Kunstfertigkeit zeigt sich etwa an den goldenen Haarbänder der Königin: Diese sind über eine Länge von rund eineinhalb Metern ganz exakt gleichbleibend breit und dünn (ca. 0,2 mm und weniger) gearbeitet worden. Eine Meisterleistung! Bei den Goldperlen konnten die Wissenschaftlerinnen zwei Verfahren nachweisen: Oftmals besaßen die Perlen einen dunklen Kern – vermutlich Bitumen –, umschlossen von einem dünnen Goldblech. Ein kleiner Teil der Perlen wurde aber im Gussverfahren hergestellt. So auch das goldene Beil, dessen Klinge anschließend noch ausgeschmiedet wurde. 

Bei den außergewöhnlichen und teilweise sehr fragilen Grabbeigaben der Königin stellt sich die Frage, ob die Gegenstände womöglich ausschließlich einem Leben nach dem Tod dienen sollten. Wie Salzmann und Armbruster anhand von Gebrauchsspuren nachweisen konnten, trug Königin Puabi zumindest einige Ringe und Perlenketten auch schon zu ihren Lebzeiten.

War alles reines Gold? Materialzusammensetzung der Metalle und ihre Herkunft

Mit der Materialzusammensetzung von Silber- und Goldartefakten, die sich bislang unantastbar in der Ausstellung des Penn Museum befanden, beschäftigten sich Hauptmann und sein Doktorand Moritz Jansen, der aufgrund seiner fachlichen Expertise in der Archäometallurgie und Archäometrie jetzt am Penn Museum tätig ist. Sie nahmen Maße und Gewichte von Waffen und Schmuck sowie der Gold- und Silbergefäße aus Ur. Auch ein Silberhortfund aus der alten Stadt Khafajeh, im oberen Zweistromland, war darunter. Vor allem aber analysierten sie diese Artefakte zerstörungsfrei mittels eines tragbaren Röntgenfluoreszenz-Spektrometers (pXRF). Dieses Verfahren hinterlässt keine Spuren an den Objekten und gibt Auskunft über die hauptsächlich vorkommenden Elemente. So wollen die Wissenschaftler herausfinden, woher die Metalle stammen. Bisherige Analysen, welche die „consulting scholars at Penn“, Prof. Dr. Sabine Klein, Forschungsbereichsleiterin der Archäometallurgie des DBM, und Prof. Dr. Hauptmann 2013 im Penn Museum und anschließend ein Jahr später im British Museum an Objekten aus Ur durchführten, verweisen auf eine Herkunft des Goldes wahrscheinlich aus dem äußersten Norden von Afghanistan. 

Zurück in Bochum wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ergebnisse der letzten Jahre mit denen vom jüngsten Forschungsaufenthalt vergleichen. Sie werden das vom Penn Museum in den 1980er und 1990er Jahren begonnene „Mesopotamian Metal Projekt“ mit modernen analytischen Methoden erweitern und fortsetzen. 


Weitere Informationen zum Projekt unter: Metalle in Mesopotamien