Kunststoff-Survey: Bewahrung gefährdeter Zeitzeugen

Foto: Helena Grebe

Auch in der neuen Dauerausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum wird thematisiert: Kunststoffe sind in allen Bereichen unseres Lebens angekommen. Viele Innovationen der letzten mittlerweile fast zwei Jahrhunderte sind ohne sie kaum denkbar. Daraus resultiert auch ein wachsendes Aufkommen polymerer Werkstoffe in den musealen Sammlungen als historische Informationsträger. Ein Forschungsprojekt des montan.dok und des Forschungsbereichs Materialkunde nimmt sich dieser Thematik an.

Das Projekt „Bewahrung gefährdeter Zeitzeugen des Steinkohlenbergbaus in den Musealen Sammlungen des DBM/montan.dok und vernetzten Einrichtungen“ rückt daher die Zusammensetzung und den Zustand von Objekten mit Kunststoffbestandteilen in den Sammlungen des DBM/montan.dok in den Fokus. Innerhalb des zunächst auf 18 Monate angelegten und von der RAG-Stiftung geförderten Projektes arbeiten der Forschungsbereich Materialkunde und das montan.dok in ihren Kompetenzen und Zuständigkeiten zusammen.

Das Projekt steht strategisch in enger Beziehung zu dem größeren Vorhaben „montan.dok 21“, in dem bislang jedoch eine wichtige Komponente für eine moderne sammlungsbezogene Forschungs- und Informationsinfrastruktur noch nicht hinreichend berücksichtigt werden konnte, nämlich die physische Erhaltung der Zeugnisse des deutschen Steinkohlenbergbaus. Erfassung, EDV-Dokumentation und Digitalisierung erlauben zwar eine Verbreitung von Informationen zum entsprechenden dinglichen Erbe, die authentische Vermittlung und auch die Bearbeitung von noch nicht gestellten Fragen kann jedoch nur am auratischen Original erfolgen. Um die für eine begrenzte Arbeitsspanne geschaffenen Objekten für eine deutlich längere kulturhistorische Verfügbarkeit zu erhalten, bedarf es spezifischer konservatorischer Aktivitäten.

Während sich manche Polymere in „jungen Jahren“ besonders resistent gegenüber physikalischen und chemischen Einflüssen zeigen, unterliegen sie mit der Zeit einer Materialalterung, die früher oder später zum Zerfall führt. Diese drohenden Verluste stellen Museen in ihrem konservatorischen Auftrag vor wachsende Herausforderungen. Auch das DBM bildet dabei keine Ausnahme. Gerade Gezähe und Großmaschinen besitzen häufig Verschleißteile, die gar nicht für eine längerfristige Nutzung oder Erhaltung geschaffen wurden und damit in besonderer Weise restauratorischer Aufmerksamkeit bedürfen. Einige Kunststoffarten, z. B. Cellulosenitrat, besitzen die Eigenschaft, im Zuge ihrer Degeneration Schademissionen freizusetzen, die umgebendes Museumsgut schädigen können und ihren eigenen Zerfall weiter vorantreiben.

Von A wie Abbauhammer bis Z wie Zigarettenetui soll eine breite Auswahl verschiedenster Sammlungsobjekte untersucht werden. Als erklärtes Ziel steht zum einen eine qualitative und quantitative Kenntnis über vorhandene Kunststoffarten in den Beständen des DBM/montan.dok. Zum anderen soll der Zustand dieser Materialien ermittelt und dokumentiert werden. Bei den Materialanalysen kommt ein portables Fourier-Transform-Infrarotspektrometer (FTIR) zum Einsatz, das zerstörungsfreie Messungen (ohne Probeentnahme) ermöglicht und aufwendige Objekttransporte erspart.

Die stichprobenartige Datenerhebung hilft dabei, den Konservierungsbedarf der hauseigenen Sammlungen besser einzuschätzen. Außerdem können darauf aufbauend geeignete Lagerungs- und Präsentationsbedingungen für einzelne Kunststoffgruppen entwickelt und umgesetzt werden. Dies sind im Hinblick auf den geplanten Depotneubau und die zukünftige Sammlungspflege langfristige Erhaltungsstrategien. Außerdem soll im Rahmen des Projektes der Einsatz von Adsorbenzien geprüft werden. Wie neue Ergebnisse aus der Forschung für die bisher in Museen angewendeten Adsorbenzien bewiesen haben, sind diese Substanzen in der Lage, spezifische Schadgase aus Objektmaterialien oder der Umgebungsluft zu binden, ohne bestenfalls gleichzeitig negative Wirkungen auf die Sammlungsobjekte nach sich zu ziehen.

Ein langfristiger Nutzen aus den gewonnenen Daten ergibt sich für spätere regelmäßige Zustandskontrollen, so genanntes Monitoring, um Schadprozesse besser zu erkennen, einzuschätzen und diesen entgegenwirken zu können. Gleichermaßen können auch andere (Bergbau-)Sammlungen von den Analysen profitieren, indem durch vergleichendes Vorgehen Kunststoffe leichter identifiziert und Schadensphänomene interpretiert werden können. Als erster Schritt arbeitet das Team gerade an der Entwicklung eines Access-Tools für die Dokumentation der Ergebnisse der Bestandsaufnahme.