Was macht ein Stück der amerikanischen Pennsylvania Route 61 im Deutschen Bergbau-Museum Bochum?

  Fotos: Seda Karaoglu

Ab November 2016 können Besucher der Sonderausstellung „Packendes Museum“ im Deutschen Bergbau-Museum ein Stück der Pennsylvania Route 61 (PA 61) bewundern. Der Straßenabschnitt führte in die Stadt Centralia, wo sich eines der größten Anthrazitkohlenvorkommen der USA befindet. Die Zahl der Einwohner von Centralia lässt sich heute an zwei Händen abzählen. Wie es dazu kommen konnte, veranschaulicht das im Haus eingetroffene Stück Asphalt.

Das neue Exponat – ein Stück des amerikanischen State Highways 61 – ist ein Geschenk von Glenn Stracher, Melissa und Tim Nolter. Die amerikanischen Wissenschaftler haben es aus dem Boden gelöst und nach Deutschland verschifft. Ziel: Das DBM. Es wird seinen Platz zunächst in der Sonderausstellung „Packendes Museum“ erhalten.

Was hat es mit dem Asphalt auf sich?

Auf Anhieb fällt dem Betrachter die bunte Bemalung auf der Oberfläche des Exponats ins Auge. Hier hat sich ein Graffitikünstler verewigt – so wie auf weiten Teilen der Straße durch Centralia. Nach ihrer Sperrung verwandelte sie sich in den 1990er Jahren in eine riesige Leinwand. Eine erneute Reparatur der tiefen Risse und Furchen, die sie durchzogen, schien in Anbetracht des schwelenden Brandes sinnlos. Die wie von einem Erdbeben völlig zerstörte Route 61 ist eines der wenigen noch sichtbaren Relikte der ehemaligen Kleinstadt Centralia und Anziehungspunkt für Sensationstouristen.

Was ist passiert?

Die Tragödie begann im Mai 1962 auf einer Mülldeponie am südöstlichen Stadtrand. Ein zur Müllverbrennung entfachtes Feuer wurde nur unzureichend gelöscht und griff nach kurzer Zeit auf die Kohleflöze unterhalb des US-Bergbaustädtchens über. Anfangs war das Ausmaß der Katastrophe noch unbekannt und die Bewohner witzelten, dass man sich künftig das Heizen und Schneeschippen sparen könne. Doch bald wurde die Gefahr aus der Tiefe deutlich: Der Boden sackte an manchen Stellen ab, giftige und gesundheitsschädliche Dämpfe stiegen aus der Erde empor, Schadstoffe verseuchten das Grundwasser, sogar die Straßen platzten auf. Alle Löschversuche blieben vergeblich, das Kohlenfeuer in 60 Metern Tiefe breitete sich stetig aus.


Kohlefeuer

Unter Zufuhr von Sauerstoff kann sich Kohle leicht entzünden – entweder von selbst oder durch Einwirkung des Menschen. Oftmals stehen Kohlebrände im Zusammenhang mit Bergbau. Im Ruhrgebiet kennt man dieses Phänomen: Schwelbrände im Inneren von Abraumhalden, da diese noch geringe Teile an Kohle enthalten.
Kohlefeuer geben noch viele Rätsel auf, obwohl sie weltweit relativ häufig vorkommen – mehrheitlich in Bergbau betreibenden Ländern. Schätzungen zufolge gibt es alleine in den USA 240 solcher Brände; medial bedingt sicher der bekannteste: Centralia. Hier brennt der Kohleflöz noch immer; betroffen sind aktuell 160 Hektar, das entspricht mehr als der Fläche des Londoner Hyde Park. Doch es schlummern noch größere Kohlevorkommen in der Tiefe. Sie sorgen dafür, dass das Feuer wohl erst in etwa 300 Jahren von selbst erlischt, nämlich dann, wenn die Vorräte erschöpft sind.
Mit speziellen Löschmethoden können die Auswirkungen der Kohlefeuer auf die Umwelt eingedämmt werden. Wissenschaftler aus dem Ruhrgebiet haben ein Verfahren entwickelt, das weltweit zum Einsatz kommt.


Die Folgen der Katastrophe

Das endgültige Aus für die Stadt kam 1983: Centralia wurde evakuiert und die meisten Häuser abgerissen. Von einstmals über 1.000 Einwohnern sind nur noch einzelne in ihrer Heimat verblieben.Centralia erlangte seitdem eine zweifelhafte Berühmtheit; die trostlose und von Rauch umwaberte Geisterstadt diente der Videospiel-Verfilmung „Silent Hill“ als Vorbild und war in der „Die drei ???“-Episode „Die brennende Stadt“ Schauplatz des Geschehens.

Die Route 61 im DBM

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum wird das Exponat zunächst in der Sonderausstellung „Packendes Museum“ und anschließend in einem der vier neuen Rundgänge der Dauerausstellung präsentieren. Timo Hauge, einer der Kuratoren, hat dieses Exponat ausgesucht und Kontakt zu den amerikanischen Wissenschaftlern aufgenommen, weil es sehr eindrücklich von den Auswirkungen des Bergbaus für Mensch und Umwelt erzählt.