Forschungsprojekte

Deutsche Kohle und der niederländische Markt, 1915-1932
Das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat (RWKS) war wohl eine der mächtigsten Kartellorganisationen. Von seiner Gründung 1893 bis zu seiner Liquidierung nach dem Zweiten Weltkrieg prägte und strukturierte es entscheidend die energiewirtschaftlichen Geschicke nicht nur der deutschen Montanindustrie. Das RWKS war organisatorisch als ein „Syndikat“, der höchsten Form des Kartellwesens, eingefasst. Neben der Regulierung von Produktion und Preisen hatte das Syndikat einen effizienten Vertriebsapparat entwickelt. Dieser stand bis 1914 in dem Ruf, den vormals dominanten Kohlengroßhandel unterworfen und sukzessive versklavt zu haben. Das Forschungs- und Dissertationsprojekt untersucht die Absatzorganisation und analysiert die Absatzstrategien des mächtigen Ruhrsyndikats in der Zwischenkriegszeit.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte und dem montan.dok assoziierte Dissertationsprojekt untersucht die Absatzorganisation und analysiert die Absatzstrategien des mächtigen Ruhrsyndikats in der Zwischenkriegszeit. Ausgelöst durch die ökonomischen Verwerfungen infolge des Ersten Weltkrieges geriet das vor dem Krieg stabile Syndikatsgefüge in eine Strukturkrise, die vor allem im Inneren des Syndikats in Form heftiger Auseinandersetzungen ausgetragen wurde. Dabei war es insbesondere die vormals so hochgeschätzte Absatzfunktion des Syndikats, die im Zentrum der Kritik stand. Ein besonderer Konflikt spann sich um die so genannte Hollandfrage. Die Niederlande – bereits seit Gründung des RWKS der wichtigste Auslandsmarkt der Ruhrkohle – galten als klassischer Wettbewerbsmarkt. Neben den bereits vor 1914 großen Importmengen an britischer Kohle entwickelte sich vor allem der niederländische Bergbau, in den während des Krieges massiv investiert worden war, zu einem energischen Rivalen der Ruhrkohle auf dem so begehrten niederländischen Absatzmarkt.

Tatsächlich gelang es der Ruhrkohle trotz des scharf geführten Wettbewerbs, ihre starke Position auf dem niederländischen Markt zu behaupten. Es ist naheliegend, dies der für die Niederlande vom Syndikat exklusiv eingesetzten Steenkolen-Handelsvereeniging (SHV) zuzuschreiben. Diese hat während der Zwischenkriegszeit mit Hilfe von strategischer Preispolitik, exklusiven Vertriebsverträgen mit Spediteuren und Verhandlungsgeschick eine abkommensbasierte Wettbewerbsordnung installiert. Diese schloss sowohl den bedeutenden britischen Importeur als auch den niederländischen Bergbau ein. Dabei war das Verhältnis zwischen SHV und RWKS, trotz des angelegten Interdependenzverhältnisses, nicht konfliktfrei. Die Rivalitäten im Syndikatsinneren drängten auf die Freigabe des „Hollandabsatzes“ unter Ausschluss der Syndikatsorganisation SHV.

Das Hauptaugenmerk der Analyse liegt auf der akteurszentrierten Decodierung der komplexen und sowohl kooperativen als auch konfliktbeladenen Beziehungen zwischen RWKS, seinen Zecheninteressen und der SHV. Das Dissertationsvorhaben erhebt damit die Handelsvermittlung, die marktintermediative Verbindung von Angebot und Nachfrage, zum Untersuchungsgegenstand und fragt dabei: Inwiefern handelt es sich – wie von den Zeitgenossen vermutet – bei dem Auslandsabsatz des RWKS um eine „Ventilfunktion“? Auf welchen Instrumentarien beruht eine syndizierte Marktordnung, und wie entfaltet sich verhandlungstechnisch Macht sowie Kontrolle im Kontext eines syndizierten wie wettbewerbsgeprägten Marktes? Ferner, welche Freiräume ließ die syndizierte Absatzordnung, und inwiefern konnten diese von den Einzelakteuren zur Durchsetzung der eigenen Interessen genutzt werden?

Informationen zum Projekt

Kontakt

Jun.-Prof. Dr. Eva-Maria Roelevink

Projektleitung
Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Bochum

beteiligte forschende Bereiche
Laufzeit

2012 – 2014

  • Eva-Maria Roelevink: Organisierte Intransparenz: Das Kohlensyndikat und der Niederländische Markt, 1915-1932, München 2015.
  • Eva-Maria Roelevink: Die westdeutsche Steinkohle und der niederländische Markt in der Zwischenkriegszeit. Eine Forschungsskizze, in: Akkumulation 30, 2010, S. 11-19.
  • Eva-Maria Roelevink: Een nederlandse Steenkolenmijn op duitse Bodem: de Steenkolen Handels-Vereeniging verwerft de Mijn Sophia-Jacoba te Hückelhoven (1917), in: Jaarboek van het Sociaal Historisch Centrum voor Limburg, LVII 2012, S. 104-130.
  • Eva-Maria Roelevink: Investitionssicherung eines Syndikatshändlers: Die Steenkolen-Handelsvereeniging und die Gründung der Gewerkschaft Sophia-Jacoba, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte/Economic History Yearbook 2/2012: Die Entstehung des modernen Unternehmens 1400-1860/The Formation oft he Modern Enterprise 1400-1860, Berlin 2012, S. 177-214.
  • Eva-Maria Roelevink: Deutschland und die bergbaulichen Rohstoffmärkte für Steinkohle, Eisenerz, Kupfer und Kali von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1930, in: Klaus Tenfelde/Toni Pierenkemper (Hrsg.): Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 3.: Motor der Industrialisierung. Deutsche Bergbaugeschichte im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Münster 2016, S. 17-43.
  • Eva-Maria Roelevink: „Wir müssen uns auch einen Platz an der Sonne sichern.“ Das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat und das Deutsche-Kohlendepot, 1905 bis 1947, in: DER ANSCHNITT 4-5, 2016, S. 168-177.
  • Eva-Maria Roelevink/Joep Schenk: Challenging times – The renewal of a transnational business relationship: The Rhenish Westphalian Coal Syndicate and the Coal Trade Association, 1918 to 1925, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte/Journal of Business History 57, 2012, Heft 2, S. 154-180.