Forschungsprojekte

Die Anfänge des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet
Das „Zeitalter der Kohle“ endete in Deutschland am 17. August 2018 mit der Schließung der letzten Steinkohlezeche in Ibbenbühren. Dieses international beachtete Ereignis bildete den Schlusspunkt der Phase der Hochindustrialisierung, deren Kraftstoff die Steinkohle war.
Steinkohle war eine der Voraussetzungen der Industrialisierung und der Steinkohlebergbau veränderte eine ganze Region, die heute als Ruhrrevier bekannt ist.

Wenig bekannt ist dagegen, dass Steinkohle bereits lange vor der Industrialisierung Bedeutung hatte. Erste Nachweise der Nutzung der Steinkohle finden sich in römischen Kontexten bis vor 800 Jahren vor heute. Im Mittelalter lässt sich der Steinkohleabbau erstmals im Ruhrgebiet eindeutig erschließen. Der Montanhistoriker Christoph Bartels arbeitete auf Grundlage spärlicher historischer Quellen heraus, dass im südlichen Ruhrgebiet oberflächennah (tagesnah) Steinkohle gewonnen wurde. Dabei lassen die Schriftquellen erkennen, dass im Hochmittelalter bedeutende Mengen abgebaut wurden und die Steinkohle bereits zu dieser Zeit wirtschaftlich lohnend war. In der Nähe von Lüttich (Belgien) blühte zeitgleich im 12. Jahrhundert eine regelrechte Montanlandschaft auf Steinkohle auf, die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung besaß, aber im Gegensatz zum Ruhrgebiet exzellent durch Schriftquellen erfassbar ist.

Wie können wir uns den Beginn der Steinkohlegewinnung m Ruhrgebiet vorstellen? Wann starteten erste relevante Aktivitäten? Welche Ausmaße hatte der frühe Bergbau, wie wurde er betrieben und von wem?

Christoph Bartels Studien führen eindrücklich vor Augen, dass die historischen Wissenschaften mangels Quellen kaum weiterhelfen können. Der Geoarchäologe Till Kasielke erarbeitete daher durch Prosektion und Fernerkundung ein erstes Kataster der Strukturen des frühe Steinkohlebergbaus. Kasielke systematisierte dann die tagesnahen Altbergbaustrukturen (Pingen und Pingenfelder) und arbeitete in Zusammenschau mit der historischen Überlieferung Altbergbauareale heraus, die potentiell am Beginn der Bergbaugeschichte des Ruhrgebietes stehen. Diese historischen und geoarchäologischen Grundlagen bilden die Basis des hier vorgestellten Forschungsprojektes zu den Anfängen des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet, dass 2024 startete.

Unter der Federführung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und in Kooperation mit dem GeoPark Ruhrgebiet e.V. sowie der LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe, konnten erste aussagekräftige Geländemaßnahmen durchgeführt werden, die vor allem den tagesnahen Bergbau fokussieren. 2024 wurde dabei ein Pingenfeld auf dem Kaisberg bei Hagen untersucht. Die Arbeiten dort unterstützte die Stadtarchäologie Hagen sowie der Wirtschaftsbetrieb Hagen. Mit Rammkernbohrungen und Baggerschnitten wurde die lagerstättenkundliche Situation sowie die Bergbauorganisation begriffen. Erstmals für das Ruhrgebiet wurden an einem Steinkohle-Pingenfeld alle Pingentypen systematisch geoarchäologisch untersucht. Dabei legte die Forschungskooperation den Arbeitsschwerpunkt auf methodische Probleme, wie beispielsweise die Datierung, die bislang montanarchäologisch kaum für den frühen Steinkohlebergbau anwendbar ist.

Denn in den Halden des tagesnahen Bergbaus finden sich keine gut datierbaren Artefakte, wie zum Beispiel Scherben. Holzkohle findet sich dagegen in seltenen Fällen, die mit der Radiokarbonmethode datiert werden könnte. Da aber diese Holzkohle mit der Millionen Jahre alten Steinkohle kontaminiert sein könnte, ist die Radiokarbondatierung nur nach Reinigungsprozessen möglich, die die Projektgruppe entwickelte. Ferner wird in einer Pilotstudie mit dem Curt-Engelhorn-Zentrum-Archäometrie geprüft, ob die OSL-Datierung alter Schachtinnenwände relevante Ergebnisse liefern kann.

Das wichtigste Ergebnis der Ausgrabungen 2024 ist eine Pingenreihe. Es lässt sich hier rekonstruieren, dass die Bergleute kein tieferes Verständnis der lagerstättenkundlichen Situation hatten und auf „gut Glück“ immer neue Schächte anlegten, bis sie das Flöz gefunden hatten. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der OSL-Analysen!

2025 gehen die Forschungen weiter und werden erstmals einen Stollen mit Gegenortvortrieb fokussieren, der zumindest älter als das 17. Jahrhundert datiert.

Informationen zum Projekt

Kontakt

Dr. Jennifer Garner

Projektleitung

Dr. Jennifer Garner, Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Montanarchäologie

Dr. Manuel Zeiler (LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe)

Dr. Till Kasielke (GeoPark Ruhrgebiet e.V.)

Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Montanarchäologie

beteiligte Forschungsbereiche
Laufzeit

Vorlaufphase

Christoph Bartels, Steinkohlenbergbau vor der Industrialisierung. In: Jennifer Garner, Karsten Plewnia, Manuel Zeiler (Hrsg.), 20. Internationaler Bergbau- & Montanhistorik-Workshop. Zeche Zollern/Ruhrgebiet 2017 (Clausthal-Zellerfeld 2017), 35-41.

Michael Fessner, Steinkohle und Salz. Der lange Weg zum industriellen Ruhrrevier, Bochum 1998

Till Kasielke, Harald Zepp, Pingen des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet – Genese, Detektion und Interpretation. Der Anschnitt 2021/3, 82-101.

Manuel Zeiler, Jennifer Garner, Rolf Golze, Des sey ein alt werck. Die Montanregion zwischen Rhein, Lippe und Lahn bis zum 14. Jahrhundert. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 16, 2022/2023 (2023), 113-244.

Christoph Bartels/Rainer Slotta (Hrsg.): Der alteuro­päische Bergbau von den Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. (=Klaus Tenfelde/Stefan Berger/ Christoph Seidel, Geschichte des Deutschen Bergbaus, Bd. 1), Münster 2012.