Forschungsprojekte

Von der Mechanisierung zum vernetzten System – Automatisierung des Ruhrbergbaus seit den 1960er Jahren
Der in den 1950er Jahren einsetzende Automatisierungsdiskurs beschäftigte sich mit der Gegenwart und Zukunft von Arbeitswelten. Automatisierung versprach auf der einen Seite eine Verringerung körperlicher und geistiger Arbeitsbelastungen, während Kritiker Dequalifizierung und Massenarbeitslosigkeit befürchteten. Etwa zeitgleich setzte im Steinkohlenbergbau als Reaktion auf die Kohlenkrise ein intensiver Modernisierungsschub ein. Neue Technologien sollten die bis dahin nur gering mechanisierte Branche aus der Krise führen. Innerhalb von rund zehn Jahren lösten aufwendige, funktional eng miteinander verzahnte technische Systeme die handwerklich geprägte Arbeit unter Tage ab.

Das Forschungsprojekt fragt nach der Rolle von Automatisierungsprojekten im Steinkohlenbergbau vor dem Hintergrund eines fortwährenden Modernisierungsdrucks. Mit der Grubenwarte nimmt es ein im Wortsinn zentrales Element großer Schachtanlagen in den Fokus. An ihr lässt sich der zeitgenössische Umgang mit den Potentialen und Grenzen von Automatisierungstechnologien zeigen. Seit Beginn der 1960er Jahre forcierten vor allem die größeren Zechen den Aufbau einer den gesamten Grubenbetrieb umfassenden ganzheitlichen Erfassung von betrieblichen Daten. Erst das Aufkommen von Mikroprozessoren in den 1980er Jahren ermöglichte die zeitliche Erfassung, Übertragung und Verarbeitung der anfallenden Datenmengen. Eine zentral koordinierte (Fern-)Steuerung geriet wieder in den Bereich des Möglichen, doch der „mannlose Streb“ blieb eine Utopie.

Das Dissertationsprojekt adressiert zwei Forschungsfelder. Zum einen greift es aktuelle technikhistorische Forschungen auf, die die Spezifik historischer Automatisierungskonzepte betonen und eine unzureichende Differenzierung des Automatisierungsbegriffes bemängeln. Zum anderen erweitert die Arbeit den Forschungsstand zur Bergbaugeschichte, in welchem die intensiven technologischen Veränderungen nach 1945 bisher, mit Ausnahme einzelner Handbuchbeiträge, nur am Rande Berücksichtigung fanden. Der Fokus auf Automatisierung erweitert das klassische Narrativ von der Mechanisierung des Bergbaus und hinterfragt ein mit der Automatisierung eng verbundenes teleologisches Geschichtsbild der Technikwissenschaften (Stichwort Industrie 4.0).

Informationen zum Projekt

Kontakt

Nikolai Ingenerf

Projektleitung

Dr. Lars Bluma

Team

Nikolai Ingenerf

Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Forschungsbereich Bergbaugeschichte

beteiligte forschende Bereiche
Laufzeit

11/2015 – 08/2018

Förderung
Kooperation

Prof. Dr. Helmut Maier (Betreuer), Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

  • Nikolai Ingenerf; Lena Asrih; Torsten Meyer: Bergbau als techno-naturales System, in: Der Anschnitt 71 (2019).