Siegerländer Montangeschichte: Ausgrabung am Gerhardsseifen legt Hüttenanlagen verschiedener Epochen frei

Foto: Jennifer Garner

Zusammen mit dem LWL-Archäologie für Westfalen und der Ruhr-Universität Bochum erforscht das Deutsche Bergbau-Museum Bochum bereits seit 2003 die keltische Montanlandschaft im Siegerland. Höhepunkt der Arbeiten ist die Ausgrabung einer mehrphasigen Verhüttungswerkstatt am Bach Gerhardsseifen bei Siegen-Niederschelden. Hier können beeindruckend gut erhaltene Werkareale der Eisenzeit und des Mittelalters dicht beieinander bewundert werden. Aufgrund dieser einzigartigen Befunde sollen das Areal zukünftig erhalten und der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Ein kleines Wiesenareal liegt beschaulich im Dreiborntal westlich von Siegen-Niederschelden im Kreis Siegen-Wittgenstein. Hier – nahe dem ursprünglichen Verlauf des Baches „Gerhardsseifen“ – findet derzeit eine archäologische Ausgrabung ihren Abschluss, die ein einzigartiges montanarchäologisches Ensemble zum Gegenstand hat. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und der Ruhr-Universität Bochum sowie der LWL-Archäologie für Westfalen legen, mit Unterstützung des Trägervereins „Ein Siegerländer Tal e. V.“ sowie der Stadt Siegen und des Kreises Siegen-Wittgensteins, außerordentlich gut erhaltene Relikte der Eisenzeit und des Mittelalters frei.

Im 3. oder 2. Jahrhundert v. Chr. planierten hier keltische Hüttenleute einen Talabschnitt und errichteten einen Verhüttungsofen, um aus Eisenerz Stahl zu gewinnen. Der Ofen musste aufgegeben werden – vermutlich, weil der ständig bedrohliche Grundwasserstand hinderlich war – und die eisenzeitlichen Handwerker bauten einen neuen Ofen hangaufwärts. Dieser ist außerordentlich gut erhalten und ein hüttentechnischer Superlativ. Denn tatsächlich waren die keltischen Öfen des Siegerlandes die größten ihrer Epoche in Europa. Archäologische Experimente mit einem Nachbau erbrachten, dass diese Öfen nicht nur große Mengen Stahl produzierten, sondern sogar kontinuierlich über lange Zeiträume gefahren werden konnten – dies galt bis dahin als Innovation des Hochmittelalters.

Apropos Hochmittelalter: Die Fundstätte Gerhardsseifen ist nicht nur wegen ihrer eisenzeitlichen Öfen exzellent. Hier sind auch ein eisenzeitlicher Schmiedebereich sowie eine mittelalterliche Verhüttungswerkstatt erhalten. Denn zu Beginn des Hochmittelalters suchten erneut Hüttenleute die Region auf und entdeckten anhand der Schlacken den knapp tausend Jahre älteren Hüttenplatz. Die alten Schlacken wurden mit Erzen gemischt und erneut verhüttet – allerdings auf weit niedrigerem technischen Niveau: Die mittelalterlichen Öfen waren deutlich kleiner und unproduktiver als die Eisenzeitlichen. Am „Gerhardsseifen“ kann dies direkt verglichen werden, denn dort befinden sich nämlich zwei Grundrisse mittelalterlicher Anlagen dicht neben dem am besten erhaltenen keltischen Ofen.

Während drei aufwändigen Grabungskampagnen (2009-2010 u. 2012) wurde die mehrphasige Werkstatt freigelegt und eine Vielzahl an Befunden dokumentiert. Ihre außerordentlich gute Erhaltung sowie die Gruppierung von Hüttenanlagen gleich mehrerer Epochen auf engem Raum führten zur Initiative der Waldgenossenschaft sowie der Heimatgruppe Niederschelden und dem Heimatbund Siegen-Wittgenstein, das Ensemble zu erhalten, um es der Öffentlichkeit langfristig zu präsentieren. Die Archäologinnen und Archäologen begrüßten die Idee und verwahrten die sensiblen Befunde: Sie wurden mit Erdsäcken stabilisiert, mit Planen bedeckt mit Holzkonstruktionen verschalt und schließlich tonnenweise mit Erde bedeckt. Diese Maßnahmen waren notwendig, da abzusehen war, dass das Grabungsareal sowohl von Frost, Hochwasser als auch von Trockenperioden betroffen sein würde – und das geschah auch massiv.

Sieben Jahre später ist es nun soweit: Die Mittel für Konservierung und Schutzbau stehen Dank der NRW-Stiftung sowie Sponsoren der heimischen Wirtschaft bereit und die Archäologinnen und Archäologen begannen 2019 erneut ihre Arbeit. Damit die Realisierung des Schutzbaus zeitnah ohne Winterpause an die archäologischen Arbeiten anschließen kann, begannen die Ausgrabungen bereits im zeitigen Frühjahr. Dies stellte die Forscher aber vor große Schwierigkeiten, die witterungsbedingt wochenlang durch Frost und vor allem durch hohe Niederschläge charakterisiert waren. Erst nach drei Wochen Freilegung konnten die Schutzmaßnahmen aus dem Jahr 2012 abgebaut werden.

Der Moment der Wahrheit: Das Abdecken der Schutzanlagen aus 2012 war der spannendste Moment der Maßnahme: Waren die Schutzmaßnahmen damals ausreichend? Welche Einwirkungen hatten massive Wassereinwirkungen oder gar das Hochtemperaturextrem 2018 mit großer Trockenheit auf die Befunde?

Unter der Erdaufschüttung fanden sich die verzimmerten Verschalungen deformiert, was Bedenken auslöste. Als aber die Verzimmerungen abgetragen und die darunter unbeschädigten Folien angetroffen wurden, war klar, dass ein Highlight Siegerländer Montangeschichte unbeschädigt war. Tatsächlich fanden die Archäologen alle Befunde im Zustand von 2012. Sie wurden nun erneut freigelegt und ihr Umfeld ausgegraben. Denn das Umfeld wird nicht Teil des Schutzbaus sein und muss daher vorher archäologisch ausgegraben sein.

Die archäologischen Arbeiten nähern sich ihrem Abschluss: Gemeinsam mit Konservatorinnen und Konservatoren der Restaurierung am Oberbaum GmbH werden Konzepte zur Verwahrung, Konservierung und Darstellung erarbeitet, während besonders der Trägerverein einen Themenwanderweg zur und von der Grabungsstelle erarbeitet.

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