Vom Boom zur Krise: Der deutsche Steinkohlenbergbau nach 1945

Foto: Helena Grebe

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum startet in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum und der TU Bergakademie Freiberg ein Forschungsprojekt zur Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus nach 1945. Gefördert durch die RAG-Stiftung untersuchen fünf Doktoranden und zwei Postdocs die historischen Kontinuitäten und Zäsuren eines der bedeutendsten Wirtschaftszweige in der Nachkriegsära.

Die kulturelle Mentalität sowie die soziale und ökonomische Struktur des Ruhrgebiets sind auch heute noch geprägt durch die Vergangenheit als hochindustrialisiertes „Kohle- und Stahlrevier“. Zukünftigen Generationen bleibt die Verantwortung für die Bewältigung der technischen Herausforderungen des Nachbergbaus an der Ruhr - insbesondere Wasserhaltung - aber auch für die Sicherung, Vermittlung und Erforschung des historischen Erbes des Stein-kohlenbergbaus. Durch die Erforschung der historischen Wurzeln der Gewinnung und Nutzung von Steinkohle soll die gesellschaftliche Akzeptanz des Nachbergbaus und der „Ewigkeitsaufgaben“ gefördert werden.
Nach Beendigung des 2. Weltkriegs leiteten alliierte Besatzungsbehörden den Ruhrbergbau bis zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Montanunion, 1951 den Ruhrbergbau. Mit Inkrafttreten dieses Wirtschaftsverbandes erfolgte eine Integration der deutschen Steinkohlen- und Stahlindustrie in den europäischen Wirtschaftsraum.
Wichtige Entwicklungen des deutschen Steinkohlenbergbaus der 1950er und 1960er Jahre lassen sich mit den Schlagworten Montanmitbestimmung 1951, Vollmechanisierung, Kohlekrise und Gründung der Ruhrkohle AG 1968/69 skizzieren. Das „Satteljahrzent“ der 1960er Jahre markiert den Wandel von einer boomenden Industrie zu einem schrumpfenden Wirtschaftssektor, der jedoch noch lange eine bedeutende Stellung innerhalb des bundesrepublikanischen Wirtschaftssystems behalten sollte. Gerade die Bereiche Bergbautechnik und Montanwissenschaften erreichten eine bis heute anhaltende international führende Stellung: Das gilt für die gesamten technisch-wissenschaftlichen Forschungsleistungen (z.B. die Westfälische Berggewerkschaftskasse, ab 1990 DMT) und für den medizinischen Bereich (z.B. die Knappschaftsversicherung und die Bergbau-Berufsgenossenschaft) des Steinkohlenbergbaus. Dabei zeigt sich eine hohe Anpassungsleistung des Steinkohlenbergbaus an sich verändernde ökonomische und politische Rahmenbedingungen sowie der Wille der Akteure einen „sanften“, solidarischen Strukturwandel zu managen, der mit der Schließung der letzten Zeche an der Ruhr Ende 2018 noch lange nicht beendet ist. Vielmehr wurde die von der Montanwirtschaft geprägte Industrielandschaft des Ruhrgebiets einem grundlegenden Transformationsprozess unterworfen. Dieser umfasste die Ansiedlung neuer Gewerbe und Unternehmen, die Entfaltung einer ausdifferenzierten Forschungs- und Wissenschaftsinfrastruktur und die unter dem Begriff der Industriekultur zusammengefasste Umnutzung ehemaliger Produktionsstätten der Montanwirtschaft.
Der Steinkohlenbergbau nach 1945 war und ist also durch tiefgreifende strukturelle, ökonomische, technische, soziale und auch kulturelle Umbrüche und Transformationen geprägt, die durch je drei Projekte in den Themenlinien Innovationskulturen im Wandel nach 1945 und Transformation von Industrielandschaften erforscht werden.